Zum Tod von Bernd Heidbreder

Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben. Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchten lang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Es muss also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.

Rainer Maria Rilke

Wie soll das gehen, über jemanden zu schreiben, den man das letzte Mal vor über einem Vierteljahrhundert gesehen hat und den man damals schon nicht wirklich gekannt hat, obwohl man so viel zusammen erlebt hat. Wie soll man das erklären, diese verrückten Zeiten, in denen wir alle jeden Tag mit einem Bein im Knast gestanden haben und trotzdem jeden Abend in aller Seelenruhe zu Bett gegangen sind. Ich habe letztens noch eine alte Gefährtin durch Zufall direkt vor meinem Wohnhaus in Kreuzberg getroffen, wir haben über “die Drei” vom K.O.M.I.T.E.E geredet, über alte Verbindungen, die durch die Flucht gekappt wurden, über die verschlungenen Wege, über die einige der alten Weggefährt*innen all die Jahre hindurch Kontakt zu den Genossen gehalten haben. Vieles kann man bis heute nicht öffentlich erzählen, auch wenn es im Moment so aussieht, als wenn die Bemühungen der deutschen Justiz der drei habhaft zu werden, nicht von Erfolg gekrönt zu sein scheinen. Vor einigen Monaten entstand sogar die Initiative “Bring The Boys Back Home”, deren Ziel es war, den dreien eine legale Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Weiterlesen

Internationalist Bernd Heidbreder im Exil gestorben (ANF News vom 31.5.2021)

Der Internationalist Bernd Heidbreder ist im venezolanischen Exil einem Krebsleiden erlegen. Er war Teil der revolutionären Gruppe K.O.M.I.T.E.E., die nicht zuletzt mit ihrer Unterstützung für den kurdischen Freiheitskampf linke Geschichte schrieb.

Der Revolutionär und Internationalist Bernhard „Bernd“ Heidbreder ist am 28. Mai 2021 im venezolanischen Exil verstorben. Der lange Zeit zu den „meistgesuchten Personen“ des Bundeskriminalamts gehörende linke Aktivist wurde als Teil der militanten Gruppe K.O.M.I.T.E.E. von den deutschen Behörden verfolgt.

In einer Zeit der Stagnation, linken Perspektivlosigkeit und Entsolidarisierung hatte das K.O.M.I.T.E.E. 1995 zu seinem größten Schlag ausgeholt und akribisch die Sprengung des im Bau befindlichen Abschiebegefängnisses Berlin-Grünau vorbereitet. Durch eine Polizeikontrolle konnte die Aktion im letzten Moment verhindert werden, die Aktivisten Thomas Walter, Peter Krauth und Bernd Heidbreder mussten fliehen und lebten seither im Exil. Nach langer Fahndung tauchten die Aktivisten in Venezuela auf. Bernd Heidbreder und Thomas Walter beteiligten sich intensiv am Aufbau der bolivarischen Revolution unter Chavez und arbeiteten in verschiedenen Kollektiven. Obwohl 26 Jahre vergangen sind, war eine Rückkehr für die Aktivisten nicht möglich, eine Verjährung der ihnen vorgeworfenen Straftat erfolgt erst 2035.

Trotz der Verfolgung waren die Aktivisten unter anderem als revolutionäre Musiker aktiv. Gemeinsam mit dem Künstler Mal Élevè starteten sie ein Musikprojekt. Im Frühjahr 2019 besuchte der Schriftsteller und Filmemacher Sobo Swobodnik Thomas Walter in den Anden von Venezuela und drehte mit ihm den Dokumentarfilm „Gegen den Strom – abgetaucht in Venezuela“. Am vergangenen Freitag traf die traurige Botschaft ein: „Bernd Heidbreder, mein Begleiter in 26 Jahren des Exils, von der deutschen Justiz verfolgt wegen des Versuchs, den Bau eines Abschiebegefängnisses zu verhindern, zwei Jahre lang illegal in Venezuela inhaftiert, ist heute an Krebs gestorben. Was für ein Verlust!“ Weiterlesen

Aktivist Bernd Heidbreder ist gestorben: Der Versuch, das Richtige zu tun (taz vom 31.5.2021)

Weil er wohl plante, ein Abschiebegefängnis zu sprengen, musste Bernd Heidbreder nach Venezuela fliehen. Dort ist er nun gestorben. Ein Nachruf.

Wolf-Dieter Vogel

Zuerst die Flucht aus Berlin, dann die vielen Jahre im Exil und zuletzt die Zeit im venezolanischen Gefängnis – Bernd Heidbreder hatte gute Gründe, gerne die T-Shirts mit den Aufdrucken „Refugees Welcome“ und „Kein Mensch ist illegal“ zu tragen.
strongZusammen mit Peter Krauth und Thomas Walter musste er 1995 Deutschland verlassen, weil sie versucht haben sollen, ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau in die Luft zu sprengen. Der Anschlag scheiterte, weil der Plan vorzeitig aufflog. Mehrere Jahre war Heidbreder daraufhin in der Welt unterwegs, bis er sich wie seine beiden Freunde in Mérida im Westen Venezuelas niederließ.

Würde er jemals wieder nach Deutschland gehen können? Oder sollte er doch in der Andenstadt alt werden, ohne sein früheres Zuhause nochmal zu sehen? Die Frage beschäftigte ihn immer wieder. Auch vor gut drei Jahren, als wir uns im Rahmen einer taz-Recherche zum letzten Mal sahen.

Nun plötzlich die schlimme Nachricht: „Bernd ist gerade gestorben.“ Vergangenen Donnerstag erlag der 60-Jährige einem Krebsleiden. Ein schnell wachsender Tumor hat sein Leben innerhalb weniger Wochen ausgelöscht. Was bleibt, ist tiefe Traurigkeit und die Erinnerung an einen Menschen, der versucht hat, das Richtige zu tun, ohne sich damit wichtig zu machen. Weiterlesen

Venezuela: Aktivist von »Das Komitee« tot (junge Welt vom 29.5.2021)

Mérida. Der in Venezuela vor deutschen Strafverfolgungsbehörden untergetauchte Bernd Heidbreder ist einem Krebsleiden erlegen. Das teilte sein ebenfalls in dem südamerikanischen Land lebender Genosse Thomas Walter am Donnerstag (Ortszeit) via Twitter mit. »Mein Begleiter in 26 Jahren des Exils, von der deutschen Justiz verfolgt wegen des Versuchs, den Bau eines Abschiebegefängnisses zu verhindern, zwei Jahre lang illegal in Venezuela inhaftiert, ist heute an Krebs gestorben. Was für ein Verlust!« Das »Komitee«-Mitglied war im Juli 2014 von Interpol-Beamten aufgespürt worden. Seine Auslieferung nach Deutschland lehnten die venezolanischen Behörden ab. Heidbreder arbeitete und lebte zuletzt in der Landwirtschaftskommune Pedro Camejo in Mérida.