Internationalist Bernd Heidbreder im Exil gestorben (ANF News vom 31.5.2021)

Der Internationalist Bernd Heidbreder ist im venezolanischen Exil einem Krebsleiden erlegen. Er war Teil der revolutionären Gruppe K.O.M.I.T.E.E., die nicht zuletzt mit ihrer Unterstützung für den kurdischen Freiheitskampf linke Geschichte schrieb.

Der Revolutionär und Internationalist Bernhard „Bernd“ Heidbreder ist am 28. Mai 2021 im venezolanischen Exil verstorben. Der lange Zeit zu den „meistgesuchten Personen“ des Bundeskriminalamts gehörende linke Aktivist wurde als Teil der militanten Gruppe K.O.M.I.T.E.E. von den deutschen Behörden verfolgt.

In einer Zeit der Stagnation, linken Perspektivlosigkeit und Entsolidarisierung hatte das K.O.M.I.T.E.E. 1995 zu seinem größten Schlag ausgeholt und akribisch die Sprengung des im Bau befindlichen Abschiebegefängnisses Berlin-Grünau vorbereitet. Durch eine Polizeikontrolle konnte die Aktion im letzten Moment verhindert werden, die Aktivisten Thomas Walter, Peter Krauth und Bernd Heidbreder mussten fliehen und lebten seither im Exil. Nach langer Fahndung tauchten die Aktivisten in Venezuela auf. Bernd Heidbreder und Thomas Walter beteiligten sich intensiv am Aufbau der bolivarischen Revolution unter Chavez und arbeiteten in verschiedenen Kollektiven. Obwohl 26 Jahre vergangen sind, war eine Rückkehr für die Aktivisten nicht möglich, eine Verjährung der ihnen vorgeworfenen Straftat erfolgt erst 2035.

Trotz der Verfolgung waren die Aktivisten unter anderem als revolutionäre Musiker aktiv. Gemeinsam mit dem Künstler Mal Élevè starteten sie ein Musikprojekt. Im Frühjahr 2019 besuchte der Schriftsteller und Filmemacher Sobo Swobodnik Thomas Walter in den Anden von Venezuela und drehte mit ihm den Dokumentarfilm „Gegen den Strom – abgetaucht in Venezuela“. Am vergangenen Freitag traf die traurige Botschaft ein: „Bernd Heidbreder, mein Begleiter in 26 Jahren des Exils, von der deutschen Justiz verfolgt wegen des Versuchs, den Bau eines Abschiebegefängnisses zu verhindern, zwei Jahre lang illegal in Venezuela inhaftiert, ist heute an Krebs gestorben. Was für ein Verlust!“

Das K.O.M.I.T.E.E. – „Praktischer Internationalismus in Zeiten der Resignation“

Das K.O.M.I.T.E.E. stellte in den frühen 90er Jahren für viele Militante einen Aufbruch dar. Ein Zeitzeuge erklärt gegenüber ANF: „Die Linke befand sich damals in einer Zeit der Resignation und der Stagnation. Der Zusammenbruch des Realsozialismus hatte trotz dessen offensichtlicher Mängel zu einer zunehmenden Stagnation geführt.

Währenddessen überboten sich Naziangriffe und staatlicher Rassismus gegenseitig. Der Kapitalismus schien gesiegt zu haben und nur noch die wenigsten waren in Deutschland bereit, sich mit ihrer Sicherheit und ihrem Leben für Humanität und Befreiung einzusetzen. Das K.O.M.I.T.E.E. wurde auch in der hintersten Provinz wahrgenommen und stellte einen Aufbruch in Zeiten der Resignation dar.“

Militante Politik als Zeichen der Solidarität mit dem kurdischen Freiheitskampf

Während die psychologische Kriegsführung sich durch Entsolidarisierung mit der PKK bis weit in linke Strukturen fortsetzte, versuchte das K.O.M.I.T.E.E. mit ihrem Angriff auf das Verteidigungskreiskommandos 852 der Bundeswehr 1994 deutlich zu machen, dass Deutschland „Kriegspartei im Völkermord in Kurdistan (ist) – militärisch, ökonomisch, politisch“. Es lasse sich ohne Übertreibung feststellen, „dass die BRD heute für die Türkei die gleiche Bedeutung hat, wie die USA ehemals für Vietnam und Mittelamerika … Ohne die politische, ökonomische und militärische Unterstützung der BRD wäre die Türkei nicht in der Lage, den Völkermord an den Kurd:innen zu begehen …“ Das K.O.M.I.T.E.E. kritisierte die mangelhafte Solidarität der Linken zum kurdischen Befreiungskampf und definierte die symbolische Aktion, „uns als deutsche Linke mit dem kurdischen Befreiungskampf in Bezug zu setzen“ als einen Weckruf an die Linke in Deutschland.

Von Symbolik zur praktischen Intervention

Als nächsten Schritt plante das K.O.M.I.T.E.E. 1995 über symbolische Politik hinauszugehen und den damals in Bau befindlichen Abschiebeknast in Berlin-Grünau zu sprengen. Der Zeitzeuge ordnet ein: „Nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts durch den Bundestag 1993 und den massenhaften Protesten dagegen stellte diese Aktion eine breit vermittelbare Sabotageaktion gegen das Abschiebesystem dar.

Allein schon der gut vorbereitete Versuch einer Abschiebeknastsprengung gab vielen Menschen Hoffnung auf radikalen Widerstand gegen die oft tödliche Abschiebepolitik der Bundesregierung.“

Kurz vor Ausführung der Aktion wurde das mit Sprengstoff beladene Fahrzeug in der Nähe der Baustelle entdeckt. Aufgrund dieses Fundes wurde eine Fahndung eingeleitet und die drei Aktivisten mussten fliehen. 1995 machte das K.O.M.I.T.E.E. seine Selbstkritik und die daraus folgende Auflösung bekannt. Die BKA-Fahndung lief seitdem auf Hochtouren. Um Verjährung zu vermeiden, wurde vor Ablauf der Fristen das Verfahren durch „neue Beweise“ verlängert. 2017 wurde Bernd Heidbreder illegal durch Zielfahnder des BKA (Bundeskriminalamt) in Venezuela festgenommen und in Auslieferungshaft gebracht. Nach zwei Jahren Haft in Venezuela war er entlassen worden und hatte Asyl beantragt. Zur Bedeutung des Exils sagt unser Gesprächspartner: „Das Exil der drei war auch immer ein Hoffnungsschimmer. Sie haben gezeigt, es ist möglich, sich dem Apparat zu entziehen. Ihr Aktivismus aus dem Exil war eine Form von Widerstand.“ Die Aktivisten ließen sich auf der Flucht nicht die politische Identität nehmen und setzten verschiedene Projekte von Venezuela aus um.

Im Frühjahr 2019 suchte der Schriftsteller und Filmemacher Sobo Swobodnik Thomas Walter in Venezuela auf und drehte über ihn den Dokumentarfilm „Gegen den Strom – abgetaucht in Venezuela“, der im Sommer 2020 in die deutschen Kinos kam. Darauf aufbauend und im Zuge der Kampagne „Exit – bring the boys back home“ entstand bei Radio Dreyeckland das Radiofeature „.den Widerstand leben“, das die Geschichte von Thomas Walter als seit 26 Jahren gesuchten Militanten erzählt, wie auch über die Dreharbeiten in Venezuela berichtet, einem gebeutelten Land im Umbruch, sowie über ein transatlantisches Musikprojekt, das Thomas Walter zusammen mit dem Berliner Musiker und Sänger Mal Élevé (vormals Irie Révoltés) produziert hat. (212) Mal Élevé & Niko (Générations sans frontières) – Rêve – YouTube
Im Moment läuft eine Petition für die Aufhebung der Haftbefehle gegen Thomas Walter und Peter Krauth. Sie kann unter diesem Link unterzeichnet werden: Petition – bring the boys back home

“Der Kampf geht weiter“

Unser Zeitzeuge schließt: „Auch wenn wir Dich nicht persönlich kennenlernen konnten, lieber Bernd, danken wir Dir für Deinen entschlossenen und ungebrochenen Kampf gegen die kapitalistische Moderne. Wir wünschen allen Freund:innen und Genoss:innen von Bernd, wie auch allen, die um Emanzipation kämpfen, unser Beileid. Der Kampf geht weiter.“