Wir machen weiter

Bernhard Heidbreder in Freiheit.

Anfang Juli 2014 wurde unser Freund und Genosse Bernhard Heidbreder in Mérida / Venezuela verhaftet. Die deutschen Behörden verlangten seine Auslieferung, da ihm vorgeworfen wird, der links-radikalen Gruppe K.O.M.I.T.E.E. angehört zu haben. Diese Gruppe war zuletzt im April 1995 aktiv gewesen, als sie bei der Vorbereitung der Sprengung des leer- stehenden, im Umbau befindlichen Abschiebeknasts Berlin-Grünau überrascht wurde.

Nach über einem Jahr lehnte das venezolanische Gericht das Auslieferungsgesuch mit der Begründung ab, dass die vorgeworfenen Taten in Venezuela bereits verjährt sind.

Auf dieser Webseite berichteten wir als Soli-Gruppe regelmäßig über die Entwicklung von Bernhards Verfahren in Venezuela, dokumentierten Presseartikel und solidarische Aktionen.

Seit Juli 2016 ist Bernhard – nach zweijähriger Haftzeit – nun endlich auf freiem Fuß in Caracas!

Und – unsere Arbeit als Soligruppe geht weiter!

Wir fordern, dass die Haftbefehle im K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren, die außer Bernhard noch zwei weitere Menschen betreffen, endlich aufgehoben werden! Verfolgt wird nach über 20 Jahren nicht mehr die Vorbereitung der Sprengung eines Abschiebeknastes, sondern lediglich die Verabredung zu der Tat. Unverhältnismäßiger Weise ist die Verjährung für die Verabredung höher, als die für die konkrete Vorbereitung.
Deshalb haben die Anwält*innen der Flüchtigen bereits Beschwerde beim Bundes-gerichtshof eingelegt, die von den Jurist*innen in Karlsruhe jedoch verworfen wurde. Im August wurde eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Grußworte von Bernhard Heidbreder (Rote Hilfe online 18.09.2016)

„Hallo Leute, liebe Genossinnen und Genossen, Freunde und Freundinnen

Ganz kurz ein paar Gruesse aus dem derzeit eher regnerischen Caracas, nachmittags 2 Stunden Regen, ansonsten Sonne und Nachts ein schoener, riesengrosser Vollmond.

Vor 2 Monaten wurde ich ploetzlich und entgegen aller Prognosen unter Auflagen freigelassen. An dieser Situation hat sich bis heute nichts veraendert. Ich versuche mich hier in eine Situation einzuleben, in Venezuela, einem Land, das ich gut kenne, aber nach 2 Jahren Knast kaum wiedererkennen kann. In meine alten politischen Strukturen kann ich zur Zeit nicht zurueckkehren; so versuche ich also, hier in Caracas politisch an Land zu kommen, was mir nach und nach auch gelingt. ich bin superfroh, wieder auf freiem Fuss zu sein, auch wenn meine Bewegungsfreiheit etwas eingeschraenkt ist und geniesse meine immer noch neue Situation mit jedem Atemzug.

Es freut mich, nach nunmehr mehr als 20 Jahren mitzubekommen, dass es immer noch politisch links(radikale) Stroemungen gibt, die sich dem neoliberalen Mainstream entgegenstemmen. Bleibt dabei, bleibt Euch treu! Wir brauchen uns, um politisch und kulturell zu wachsen, mehr zu werden! Von hier aus auch ein lieber Gruss und eine feste Umarmung an P. und T. Haltet durch – Alles wird gut“ Weiterlesen

27.10.2015: Bernhard wird nicht ausgeliefert!

Pressemitteilung: Auslieferung aus Venezuela abgelehnt

Die zuständige Strafkammer des Obersten Gerichtshofs in Caracas, Venezuela, (Tribunal Supremo de Justicia, Sala Penal) hat die Auslieferung von Bernhard Heidbreder an die Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der Durchführung eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Inbrandsetzung und Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich der Vorbereitung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, abgelehnt.

Bernhard Heidbreder wird von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe vorgeworfen, sich als Mitglied der linken militanten Gruppe „ D.A.S. K.O.M.I.T.E.E.“ im Oktober 1994 an einem Brandanschlag auf ein Gebäude des Kreiswehrersatzamtes Bad Freienwalde und im April 1995 zusammen mit zwei weiteren Personen einen Sprengstoffanschlag auf den damaligen Rohbau des Abschiebegefängnisses in Berlin-Grünau vorbereitet zu haben. Die Tat gelangte nicht zur Umsetzung. Herr Heidbreder und zwei weitere Personen tauchten unter und wurden bzw. werden seitdem mit internationalem Haftbefehl von den deutschen Sicherheitsbehörden gesucht.

Am 11. Juli 2014 wurde Bernhard in Mérida/Venezuela von der dortigen Polizei festgenommen und befand sich seitdem auf Antrag der bundesdeutschen Behörden in Venezuela in Auslieferungshaft.

Am 23. Oktober 2015 hat nun der Oberste Gerichtshof Venezuelas in Caracas entschieden, dass Bernhard nicht nach Deutschland ausgeliefert wird.

Zur Begründung führt das Gericht an, dass das Kriterium der beiderseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt ist: Der Straftatbestand des Terrorismus existierte in Venezuela zum Tatzeitpunkt nicht. Die übrigen vorgeworfenen Straftaten, also Brandstiftung und die Vorbereitung eines Sprengstoffdelikts, sind nach venezolanischem Recht bereits verjährt.

Deshalb kommt eine Auslieferung nicht in Betracht. Die Kammer folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Bernhard Heidbreder befindet sich nunmehr noch zur Prüfung seines Aufenthaltsstatus in Haft. Er hat einen Asylantrag gestellt.

08.07.2015: Bernhard Heidbreder nach einem Jahr noch immer in Haft

Am 11. Juli 2015 ist ein Jahr vergangen, seit Bernhard Heidbreder in Mérida verhaftet wurde. Seitdem sitzt er in Caracas in Haft und erwartet die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes TSJ. Diese Entscheidung hätte bereits bis Ende Februar erfolgen müssen gemäß venezolanischem Recht. Da sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung die Aufhebung des Auslieferungsverfahrens beantragt haben, ist die Entscheidung eigentlich nicht besonders schwierig. In den fünf Monaten, die seitdem vergangen sind, hat der TSJ aber in fast 100 anderen Fällen Entscheidungen zu Auslieferungsverfahren getroffen, nur nicht in Sachen Bernhard Heidbreder. Bei uns wachsen daher so langsam die Zweifel, ob es sich hier nur um Schlamperei handelt.

Bereits im November 2014 hatten sich sieben Bundestagsabgeordnete und der Alterspräsident der Partei DIE LINKE in einem offenen Brief sowie der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele der Partei Bündnis 90/Die Grünen in einem direkten Brief an die venezolanische Regierung gewandt und sich für Bernhard Heidbreder eingesetzt. Diese, sowie zusätzlich zwei Abgeordnete des Europa-Parlaments für DIE LINKE, haben nun in einem erneuten Brief an die venezolanische Regierung auf die unerklärliche Verschleppung des Verfahrens hingewiesen.

Auch wenn die Haftbedingungen von Bernhard nach wie vor gut sind und er weiterhin voller Zuversicht ist, ist es doch eine unzumutbare Situation für ihn und seine Frau, in dauernder Ungewissheit über den weiteren Verlauf leben zu müssen. Es gibt keinen akzeptablen Grund für die Verzögerung der TSJ-Entscheidung (die schon mehrfach informell angekündigt wurde, ohne dass etwas geschah).

Leider können wir von hier aus nicht mehr tun als noch einmal eindringlich seine Freilassung zu fordern. Wir wissen, dass nur in Venezuela selbst etwas bewirkt werden kann. Wir bitten alle, die in Venezuela aktiv sind oder Kontakte dorthin haben, sich dort für die sofortige Entlassung von Bernhard aus dem Knast einzusetzen.

Verjährung oder nicht – zwanzig Jahre und kein Ende!?

An diesem Wochenende sind 20 Jahre vergangen seitdem die Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“ am 11.04.1995 versuchte, die Baustelle des Abschiebegefängnisses in Berlin-Grünau zu sprengen. Zuvor hatte die Gruppe schon 1994 einen Brandanschlag auf ein Bundeswehrgebäude in Bad Freienwalde (Brandenburg) verübt.

In den seit damals verstrichenen Jahren und besonders seit der Verhaftung von Bernhard Heidbreder in Venezuela im Juli 2014 wurde immer wieder die Frage gestellt, wann wohl Verfolgungsverjährung für die Anschläge von 1994 und 1995 eintritt, die Fahndung nach den drei angeblichen Mitbeteiligten Bernhard, Thomas und Peter eingestellt und sie – wenn sie denn wollten – ungefährdet nach Deutschland kommen könnten. Über die Aufregung der letzten Wochen um das Gerichtsverfahren in Venezuela und Bernhards bevorstehende Freilassung haben wir fast übersehen, dass wir und so manche anderen die Hoffnung hatten, im April 2015 ein Ende der Verfolgung zu erleben. Aber ist es wirklich so?

Die Verfolgungsverjährung ist, verkürzt dargestellt, im Strafgesetzbuch (StGB) so geregelt: Die Zeitdauer bis zur Verjährung eines Tatvorwurfs hängt von der Höchststrafe ab, die ein Gericht für die Tat verhängen kann. Durch bestimmte juristische („strafprozessuale”) Maßnahmen kann diese Zeitdauer verlängert werden, und zwar maximal auf das doppelte der ursprünglichen Verjährungszeit.

Lange herrschte allgemein die Meinung vor, dass im Falle des „K.O.M.I.T.E.E.” die normale Verjährung nach 10 Jahren und die sogenannte absolute Verjährung folglich nach maximal 20 Jahren eintreten werde. Dies ergab sich aus dem Tatvorwurf „Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens” (§ 311b, 1994 gültige Fassung des StGB) bzw. „Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung” (§ 129a StGB) sowie aus Äußerungen der Bundesanwaltschaft.

Die Bundesanwaltschaft hat sich aber zwischenzeitlich etwas einfallen lassen, um die Verjährungszeit auszudehnen. Sie beruft sich dabei auf § 30 StGB, der besagt, dass die Verabredung zu einem Verbrechen genauso bestraft werden soll wie der Versuch der Tat – und der Versuch kann genauso bestraft werden wie die Tat selbst -, und auf § 311 StGB (in der 1994 gültigen Fassung „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion”), der eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren erlaubt. Da die reguläre Verjährungszeit für diesen Tatvorwurf 20 Jahren beträgt, würde dann bei Ausnutzung aller Möglichkeiten der Unterbrechung die absolute Verjährung in Deutschland erst nach 40 Jahren eintreten – also im schlimmsten Fall 2035.

Es ist durchaus fraglich, ob die Bundesanwaltschaft in einem Gerichtsprozess mit dieser Haltung durchkommen könnte. Sehr gut möglich ist, dass ein Gericht es ganz anders sieht. Doch die Frage, wann die Vorwürfe tatsächlich verjährt sind, würde erst ein rechtskräftiges Urteil sicher beantworten. Solange das nicht erfolgt ist, können Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt sich auf die von ihnen vermutete Verjährungszeit berufen und die Verfolgung der drei Gesuchten erst einmal fortsetzen – leider noch viele Jahre lang.

Es wird also vorerst nichts aus einer großen Wiedersehensparty im April 2015.

Wir wünschen Thomas und Peter alles Gute in der Ferne – und Bernhard, dass das Gericht in Venezuela bald die längst überfällige Freilassung anordnet!