Ende Oktober haben Politiker der Partei DIE LINKE in einem Offenen Brief den Appell, Bernhard Heidbreder nicht nach Deutschland auszuliefern, unterstützt. Der Brief ist unterzeichnet von sieben Bundestagsabgeordneten und dem Präsidenten des Ältestenrats der Partei, Hans Modrow, und wurde an den Präsidenten Venezuelas, Nicolás Maduro, und weitere wichtige Persönlichkeiten übermittelt.
Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90 / Die Grünen) hat sich in einem persönlichen Brief an Präsident Maduro für Bernhard Heidbreder eingesetzt.
Wir dokumentieren im folgenden den Wortlaut des Offenen Briefes:
An
Herrn Nicolás Maduro Moros
Präsident der Bolivarianischen Republik von Venezuela
Vorsitzender der Vereinigten Sozialistischen Partei von Venezuela
Herrn Rafael Darío Ramírez Carreño
Minister der Volksregierung für Auswärtige Beziehungen
Herrn Elías José Jaua Milano
Minister der Volksregierung für die Kommunen und die Sozialen Bewegungen
Vereinigte Sozialistische Partei von Venezuela (PSUV)
Berlin, den 21. Oktober 2014
Sehr geehrte Herren, werte Genossen!
Wir möchten uns hiermit an Sie wenden mit dem Appell, Ihre Aufmerksamkeit dem Fall des in Venezuela in Haft befindlichen Deutschen Bernhard Heidbreder zuzuwenden.
Wie Ihnen vielleicht schon bekannt ist, ist Bernhard Heidbreder am 11. Juli 2014 in Mérida aufgrund eines von deutschen Behörden erlassenen internationalen Haftbefehls verhaftet worden. Die deutsche Generalbundesanwaltschaft beschuldigt ihn des „Terrorismus“ und hat im August 2014 ein Auslieferungsersuchen an das Tribunal Supremo de Justicia gerichtet.
Wir sind damit nicht einverstanden und setzen uns dafür ein, dass Bernhard Heidbreder nicht nach Deutschland ausgeliefert wird. Wir, die Unterzeichnenden, appellieren deshalb an Sie, sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und im Einklang mit dem venezolanischen Rechtssystem dafür zu engagieren, dass Bernhard Heidbreder in Venezuela bleiben kann. Unsere Gründe wollen wir hier kurz darstellen:
1. Der Vorwurf des Terrorismus ist maßlos übertrieben. Es geht hier um politische Straftaten, die, ohne sie verharmlosen zu wollen, nicht mit terroristischer Gewalt gleichgesetzt werden dürfen. Bernhard Heidbreder soll sich 1994 an einer Brandstiftung an einem unbewohnten Verwaltungsgebäude der Bundeswehr und 1995 an der Vorbereitung einer schweren Beschädigung einer Gefängnis-Baustelle beteiligt haben. In beiden
Fällen kamen keine Menschen zu Schaden, was auch erklärte Absicht der Täter war. Wir lehnen politische Gewalt unmissverständlich ab, billigen den Tätern jedoch eine grundsätzlich nicht verwerfliche Motivation zu: Sie wollten damit gegen die militärische Unterdrückung des kurdischen Volkes in der Türkei und gegen die repressive Immigrationspolitik des deutschen Staates protestieren. Beide Themen waren und sind wichtige Bezugspunkte der linken Opposition in Deutschland.
Auch Hugo Chávez bezeichnete 2008 die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union als „legalisierte Barbarei“: „La Europa civilizada ha abierto y ha legalizado la barbarie, porque es una verdadera barbarie, es algo bárbaro, digno de las épocas, de las peores épocas en las que la barbarie imperó en el mundo.“
1994 soll Bernhard Heidbreder sich gewaltsam für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden eingesetzt haben – 2014 liefert die deutsche Bundesregierung Waffen nach Kurdistan, um dessen Selbstbestimmungsrecht zu verteidigen. 1995 soll Bernhard Heidbreder versucht haben, ein Gefängnis für Flüchtlinge unbrauchbar zu machen – 2014 erklärten höchste Gerichte in Europa und Deutschland die massenhafte Unterbringung von Flüchtlingen in Gefängnissen für ungesetzlich. Ist es angesichts dessen legitim, diese Taten noch 20 Jahre später zu verfolgen?
2. Die Verfolgung der genannten Taten im Jahr 2014 ist unverhältnismäßig. Sie sind nach deutschem Recht nahezu verjährt. Sie sind nach venezolanischem Recht tatsächlich verjährt, denn das 1995 gültige Strafgesetz von Venezuela schreibt für vergleichbare Taten eine maximale Verjährungsfrist von 10,5 Jahren vor. Daher sind die Tatvorwürfe in Venezuela seit 2005 verjährt. Dennoch wird Bernhard Heidbreder (und zwei seiner Freunde) seit nahezu zwanzig Jahren von deutschen Behörden als „meistgesuchter Terrorist“ verfolgt.
3. Bernhard Heidbreder lebt seit vielen Jahren in Venezuela. Er hat sich in Mérida nichts zuschulden kommen lassen. Vielmehr hat er sich nach Kräften für den Prozess der bolivarianischen Revolution eingesetzt und in einem kommunalen Basisbetrieb gearbeitet. Dass er dies nicht unter seinem echten Namen tat, war dem Druck der andauernden Verfolgung durch deutsche Behörden zuzuschreiben.
4. Bernhard Heidbreder, der sich für eine humane europäische Flüchtlingspolitik einsetzte, ist nun selbst ein Flüchtling. Wir erinnern uns erneut an die Worte von Hugo Chávez vom Juli 2008, als er die feindselige Flüchtlingspolitik der Europäischen Union verurteilte und darauf hinwies, dass Lateinamerika stets ein Ort der Hoffnung und der Solidarität war und seine Einwanderer gastfreundlich aufnahm, während Europa Mauern, Zäune und Lager baut: „Ninguno de ellos fue maltratado ni devuelto a Europa. Todos ellos se quedaron aquí con nosotros, porque este continente es habitado por la esperanza de un mundo nuevo y aquí han hecho comunidades, son parte de nosotros mismos.“
Wir appellieren an Sie, sich diese Argumente offenen Herzens zu eigen zu machen. Einen Brief von Bernhard Heidbreder selbst, in dem er politisch Stellung bezieht, haben wir zu Ihrer Information beigefügt.
Mit bolivarianischen Grüßen,
Hans Modrow,
Vorsitzender des Ältestenrates der Partei Partei DIE LINKE
Christine Buchholz,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)
Annette Groth,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)
Heike Hänsel,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)
Inge Höger,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)
Andrej Hunko,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)
Ulla Jelpke,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)
Alexander Neu,
Mitglied des Deutschen Bundestages (Partei DIE LINKE)