Freie Radikale (Süddeutsche Zeitung vom 2.11.2024)

Peter Krauth und Thomas Walter sollen einen linksterroristischen Anschlag auf ein Abschiebegefängnis geplant haben. Das war 1995. Seitdem sind sie auf der Flucht. Was braucht es, um zu vergeben? Ein Besuch im Exil in Venezuela.

Von Christoph Gurk (Text und Fotos)

Geheimnisse gibt es viele im Leben von Thomas Walter und Peter Krauth. Dinge, die sie nicht verraten können oder wollen, um andere zu schützen, und vor allem auch sich selbst. Vieles bleibt so ungesagt, manches unklar, eines aber ist sicher: Die beiden haben sich gut versteckt.

Will man sie besuchen, muss man zuerst an den Nordzipfel von Südamerika, nach Caracas, die Hauptstadt von Venezuela. Von dort aus geht es weiter ins Landesinnere, erst mit einem klapprigen Flugzeug, dann mit einem verbeulten Taxi, über kaputte Straßen, vorbei an Weiden und Feldern, durch Halbwüsten und Wälder, immer weiter hinauf in die Berge, stundenlang.

Irgendwann hinter der Stadt Mérida hört der Asphalt dann auf. Ein Bach, eine Brücke, enge Kurven. Und dort, fast am Ende der Straße, warten die beiden schon. Weiterlesen

Asyl nach fünf Jahren Unsicherheit (Neues Deutschland vom 06.02.2022)

Venezolanische Flüchtlingskommission gewährt deutschen militanten Linken dauerhaften Aufenthaltstitel

Von Wolf-Dieter Vogel, Oaxaca

Es hat fünf Jahre gedauert, aber nun hat die venezolanische Flüchtlingskommission (Conare) eine Entscheidung getroffen: Die Behörde hat den Asylantrag der deutschen Linken Thomas Walter und Peter Krauth positiv beschieden. Die vorgebrachten Gründe, um als politische Flüchtlinge anerkannt zu werden, seien subjektiv und objektiv gegeben, schrieb die Conare in der Bewilligung, die die beiden vor wenigen Tagen erhalten haben. Die vor 27 Jahren aus Deutschland Geflüchteten haben damit ein unbegrenztes Bleiberecht in Venezuela. »Wir haben nicht mehr damit gerechnet, dass das noch was wird«, sagte Walter dem »nd«. Für ihren Mitstreiter Bernd Heidbreder kam der Beschluss zu spät: Der 60-Jährige erlag im vergangenen Mai einem Krebsleiden. Weiterlesen

Asyl in Venezuela (junge Welt vom 29.01.2022)

Komitee-Verfahren: Zwei linke Aktivisten aus der BRD entgehen politischer Verfolgung durch deutsche Justiz

Matthias Monroy

Die venezolanische Flüchtlingskommission hat zwei aus Deutschland stammenden Aktivisten, Peter Krauth und Thomas Walter, einen Anspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung zuerkannt. Sie haben damit Anspruch auf ein unbegrenztes Bleiberecht in Venezuela, meldete die Solidaritätswebseite für die Verdächtigen im sogenannten Komitee-Verfahren am Donnerstag.

Seit 1995 wurden Krauth, Walter und der kürzlich an einem Tumor verstorbene Bernhard Heidbreder vom Bundeskriminalamt (BKA) wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gesucht. Sie sollen im selben Jahr einen Brandanschlag auf ein Bundeswehr-Gebäude in Bad Freienwalde in Brandenburg verübt haben. 1996 habe die Gruppe außerdem versucht, ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau in die Luft zu sprengen. Eine Polizeistreife war auf hierfür vorgenommene Absperrungen der Baustelle aufmerksam geworden. Die Täter flüchteten, das Gebäude blieb unversehrt. In einem am Tatort zurückgelassenen Fahrzeug fand das BKA Beweismittel, die es den drei Gesuchten zuordnete. Weiterlesen

Die Kunst, sich nicht einsperren zu lassen (ak 672)

Nach mehr als 25 Jahren auf der Flucht ist Bernd Heidbreder in Venezuela gestorben. Thomas Walter über seinen Freund und Mitstreiter, staatlichen Verfolgungseifer und das Leben im Exil

Interview: Kristian Stemmler

Eine traurige Nachricht kam Ende Mai aus Venezuela. Bernd Heidbreder erlag im Alter von 60 Jahren in seinem Exil in den Anden einer Krebserkrankung. Er war Teil der Gruppe K.O.M.I.T.E.E., die 1995 versucht hatte, in Berlin-Grünau ein im Ausbau befindliches Abschiebegefängnis zu sprengen. Mit seinen beiden Mitstreitern konnte er flüchten, die deutschen Behörden jagten die drei mit obsessivem Aufwand. Sein Freund und Genosse Thomas Walter beantwortete aus Venezuela Fragen zu Bernd Heidbreder, seinem politischen Wirken, dem gemeinsamen Leben im Exil und zum Thema Militanz. Weiterlesen

1995: Ein Genosse geht ins Exil und kehrt nun nie mehr zurück (Neues Deutschland vom 04.06.2021)

Der Aktivist Bernd Heidbreder ist gestorben. Nachruf eines Weggefährten

Detta Schäfer

Am 27. Mai 2021 verstarb unser Freund und Genosse Bernd Heidbreder mit 60 Jahren im Krankenhaus in Venezuela. Vier Wochen zuvor hatte Bernd über Schwindelanfälle und Sehstörungen geklagt. Vor zwei Wochen wurde dann dieser schnell wachsende Gehirntumor entdeckt und sofort eine Notoperation durchgeführt. Sein Leben konnte nicht gerettet werden.

Im Jahr 1995 war Bernd, wie seine beiden Freunde Thomas Walter und Peter Krauth, vor einer Verhaftung in Deutschland geflohen. 2014 wurde er in Venezuela festgenommen, kurze Zeit später tauchten dort auch die beiden anderen auf. Die Bundesanwaltschaft wirft den drei Männern vor, unter dem Namen K.O.M.I.T.E.E. für einen Brandanschlag auf den Sitz des Kreiskommandos 852 in Bad Freienwalde im Jahr 1994 verantwortlich zu sein. Hintergrund der Aktion war die massive Unterstützung von Bundeswehr, deutschen Rüstungskonzernen und der Bundesregierung für den mörderischen Kampf des türkischen Staates gegen das kurdische Volk. Weiterlesen