Trotz Asylantrags wird ein Berliner Autonomer nach 24 Jahren im Exil in Venezuela festgenommen
Am 16. November 2019 wurde Peter Krauth am Flughafen El Vigía, Venezuela, festgenommen. Am 23. November wurde er nach Caracas gebracht, wo er seitdem in Auslieferungshaft in einem Interpol-Büro sitzt. Krauth wird, wie auch Bernhard Heidbreder und Thomas Walter, von der Bundesanwaltschaft (BAW) vorgeworfen, der 1995 aufgelösten autonomen militanten Gruppe Das Komitee aus Berlin angehört zu haben.
Das Komitee verübte Ende Oktober 1994 einen Brandanschlag auf ein Gebäude der Bundeswehr in Bad Freienwalde, um die Zusammenarbeit des deutschen und türkischen Militärs im Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei aufzuzeigen: Deutschland sei Kriegspartei in Kurdistan. Eine zweite Aktion folgte: Im April 1995 versuchte Das Komitee, das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau zu sprengen. In ihrer Erklärung vom September 1995 »Knapp daneben ist auch vorbei« hieß es: »Massenabschiebungen sind ein Garant des ›inneren Friedens‹ und Kern imperialistischer Flüchtlingspolitik. … In Berlin wird zu diesem Zweck der ehemalige DDR-Frauenknast in Grünau umgebaut. Mit bis zu 400 Haftplätzen werden damit die Kapazitäten der Abschiebehaft in Berlin mehr als verdoppelt.«
Doch die Aktion scheiterte, weil eine Polizeistreife auf zwei Autos in der Nähe des Abschiebeknastes aufmerksam wurde, sie durchsuchte und Sprengsätze und anderes Material für die Aktion fand. Im Zuge dessen gerieten Krauth, Heidbreder und Walter auf die Fahndungsliste des BKA und tauchten unter. Das Komitee löste sich auf.
Die drei Untergetauchten leben seit 24 Jahren im Exil, außerhalb der Reichweite der deutschen Sicherheitsbehörden. Da aber die Verjährungsfrist für die Verabredung zu einem Sprengstoffanschlag offiziell erst nach 40 Jahren endet (2035), werden sie immer noch mit einem internationalen Haftbefehl gesucht.
Bereits im Juli 2014 war Bernhard Heidbreder von einem Zielfahndungskommando des Bundeskriminalamtes in Venezuela entdeckt und daraufhin festgenommen worden. Das von der BRD gestellte Auslieferungsersuchen wurde im Oktober 2015 durch ein Urteil des höchsten venezolanischen Gerichts, TSJ (Tribunal Supremo de Justicia) abgelehnt. Begründung: Die Heidbreder vorgeworfenen Taten seien in Venezuela längst verjährt. Trotzdem saß er noch neun Monate nach dem Urteil im Gefängnis.
Heidbreder beantragte daraufhin 2016 Aysl, Krauth und Walter stellten 2017 Asylanträge in Venezuela. Sie warten seitdem auf eine positive Entscheidung der Nationalen Flüchtlingskommission in Caracas (Conare) auf Anerkennung als politische Flüchtlinge. Ungeachtet dessen wurde Peter Krauth nun aufgrund dieses Interpol-Haftbefehls festgenommen. Er sitzt zurzeit in einem Interpol Büro ein und wartet auf eine gerichtliche Entscheidung. Seine Haftsituation schildert er in einem Brief von Mitte Dezember: »Das ist eher ein Provisorium als ein Knast. Wir sitzen hier zu elf Knackis auf 20 qm und das ohne Fenster, nur air condition. Die einzige Abwechslung sind zehn Minuten aufs Klo morgens und 15 Minuten am Nachmittag, dabei ein oder zwei Tage ohne Wasser pro Woche (Erklärung: keine Toilettenspülung), die Zelle einziges Matratzenlager, das einzige Möbel eine Mikrowelle, um Essen warm zu machen. Also alles nicht einfach, dazu nur 25 Minuten Besuch pro Woche.«
Und weiter heißt es in Krauths Brief: »Immerhin ist die Solidarität groß. Es wird geteilt, wenn einer kein Essen hat (Erklärung: Essen muss von Freund*innen oder Angehörigen in den Knast gebracht werden, wenn du niemanden hast, hast du nichts zu essen) und auch wenn es andere Probleme gibt. Ansonsten bin ich guter Dinge, … da ich weiß, dass es euch gibt, eure Solidarität und eure Unterstützung.«
Solidarität mit den drei Untergetauchten Nach der Festnahme von Heidbreder 2014 gründete sich in Berlin eine Soligruppe, die sich für seine Freilassung einsetzte. Auf ihrer Webseite »ende! aus! Basta!!! Aufhebung der Haftbefehle im Komitee Verfahren« lassen sich die aktuelle Pressemitteilung zu Peters Verhaftung, der Kampagne für die Entkriminalisierung der drei Exilanten, diverse Presseartikel sowie Hintergrundinformationen zum Komitee finden. Auf dem Leipziger Dokumentarfilmfestival wurde zudem im Oktober 2019 der Musik- und Dokumentarfilm »Gegen den Strom – Abgetaucht in Venezuela« mit dem Musiker Mal Élevé und Thomas Walter erstmalig gezeigt. Der Film skizziert neben dem Alltag in Venezuela auch Überlegungen und Erfahrungen zu Flucht und Exil. Im Film äußert sich Rafael Uzcátegui, Politiker der PPT (Patria para Todos), positiv zu dem gescheiterten Anschlag in Berlin-Grünau: »Was ihnen vorgeworfen wird, ist eine Aktion für den Frieden, nicht für den Krieg. Für den Krieg steht dieses Abschiebegefängnis, das es mal gab, das es zum Glück nicht mehr gibt.« Mehr Infos: www.ende-aus.net |
azozomox ist in autonomen / anarchistischen Zusammenhängen in Berlin aktiv.