Fahndung und Überwachung

Die Bundesanwaltschaft ist in den letzten 20 Jahren bezüglich der Fahndung nach den Abgetauchten sehr aktiv gewesen. Anfangs hatte sie die Schwester eines Beschuldigten mehrere Wochen in Untersuchungshaft genommen, obwohl sie ein Alibi für den Tatzeitraum vorweisen konnte. Auch nachdem dies endlich anerkannt wurde, wurde jahrelang weiter gegen sie ermittelt.

Mehr als 20 Menschen wurden polizeilich, einige davon auch generalbundesanwaltlich vorgeladen. Eine Person, die die Aussage verweigerte, wurde mit 4 Monaten Beugehaft bestraft. Eine weitere konnte durchsetzen, dass sie keine Aussagen machen musste,  da  sie Durchsuchungen und direkten Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt war. Dies musste das Gericht anerkennen. Die Person wurde offiziell zur fünften Beschuldigten im Verfahren. Zwei weitere Menschen erfuhren eher zufällig, dass auch gegen sie ermittelt wurde, als sie im Jahr 2002 zur DNA- Abgabe gezwungen werden sollten.

Erst 2013 wurden die vier Verfahren eingestellt. Seitdem sind uns nur noch die Ermittlungen gegen die drei Abgetauchten bekannt.

Viele Menschen wurden über lange Zeit observiert, ihre Telefonanschlüsse überwacht. Des Weiteren reisten Fahnder*innen vermuteten Kontaktpersonen und Verwandten in verschiedene Länder, vorzugsweise Lateinamerika, aber auch nach Ägypten hinterher. Sie arbeiteten ausgezeichnet mit der ägyptischen Polizei zusammen und konnten diese dazu bewegen, das Hotelzimmer des Reisenden verdeckt nach Mobiltelefonen zu durchsuchen.

Die Bundesanwaltschaft ließ einen öffentlich zugänglichen Computer überwachen, von dem aus sie den Aufruf einer Seite des Bundeskriminalamtes (BKA) registriert hatte. Denn die Fahndungsaufrufe waren vor allem deshalb auf der BKA-Seite eingestellt worden, um zu verfolgen, wer sich diese Seite ansieht.

Auch die Redaktionsräume der Tageszeitung taz und die Wohnungen von zwei Redakteur*innen wurden durchsucht.

Das K.O.M.I.T.E.E.

  • Das K.O.M.I.T.E.E. war eine militante Gruppe der Berliner linken Szene in den Jahren 1994/ 95. Es meldete sich erstmals am 27.10.1994 zu Wort, nachdem die Gruppe ein Gebäude des Verteidigungskreiskommandos 852 der Bundeswehr in Bad Freienwalde (Brandenburg) in Brand gesetzt hatte. In der Erklärung wurde die Bundeswehr angegriffen, weil sie den Krieg der Türkei gegen die PKK und gegen die kurdische Bevölkerung massiv unterstützte. Das K.O.M.I.T.E.E. stellte in der Erklärung fest, dass Deutschland „Kriegspartei im Völkermord in Kurdistan (ist) – militärisch, ökonomisch, politisch“, und dass sich ohne Übertreibung feststellen lasse, „dass die BRD heute für die Türkei die gleiche Bedeutung hat, wie die USA ehemals für Vietnam und Mittelamerika“. Gleichzeitig kritisierte das K.O.M.I.T.E.E. die unterentwickelte Solidarität der deutschen Linken zum kurdischen Befreiungskampf und verstand den Anschlag als symbolische Aktion mit dem Ziel „uns als deutsche Linke mit dem kurdischen Befreiungskampf in Bezug zu setzen“.

    Der versuchte Angriff auf den zukünftigen Abschiebe-Knast Grünau am 11.04.1995 erweiterte diese Themenstellung. Zum einen zielte er erneut konkret auf die deutsche Kurdistan-Politik, denn KurdInnen, vor allem politisch aktive, waren in Deutschland dauernder Einschüchterung und Terrorisierung durch deutsche Behörden ausgesetzt, die in Knast und Abschiebung gipfelten. Darüber hinaus war die deutsche Abschottungs- und Abschiebepolitik gegen Flüchtlinge aus aller Welt seit Jahren zurecht ein Angriffsziel verschiedener politischer Gruppen, von Kirchengemeinden bis zu bewaffneten Gruppen. Das K.O.M.I.T.E.E. wollte sich diesmal nicht mit einer symbolischen Aktion begnügen. Es ging darum den im Umbau befindlichen, leerstehenden Knast so stark zu beschädigen, dass seine Fertigstellung erheblich verzögert worden wäre.

    Hier konnte die Aktion jedoch nicht ausgeführt werden. Am 11.04.1995 entdeckte ein Streifenwagen frühmorgens in Grünau auf einem Parkplatz an der Rabindranath-Tagore-Straße zwei verdächtige Fahrzeuge, die offenbar verlassen worden waren. Es handelte sich um einen Pkw und einen Lieferwagen. In den beiden Fahrzeugen fanden die Bullen nach eigenen Angaben folgende Dinge: eine einsatzbereite selbstgebaute Bombe mit 120 kg Sprengstoff, Warnschilder, in denen „Das K.O.M.I.T.E.E.“ die Sprengung der nahegelegenen Knast-Baustelle ankündigte, persönliche Papiere, darunter Ausweise, Autokennzeichen. Aufgrund dieser gefundenen Sachen wurde die Fahndung nach vier Personen eingeleitet: Bernhard, Thomas und Peter und dessen Schwester. Peters Schwester, der der gefundene Pkw gehörte, stellte sich kurz danach den Behörden in Begleitung ihrer Anwältin. Sie wurde freigelassen, einige Wochen später verhaftet und dann nach einem Haftprüfungstermin freigelassen. Die anderen drei Gesuchten sind seit dem 11.04.1995 untergetaucht.

    Nach dem Scheitern des Angriffes in Grünau meldete sich das K.O.M.I.T.E.E. erst am 06.09.1995 mit einer Erklärung wieder. Darin wurde eine Bilanz gezogen und als Konsequenz die Auflösung der Gruppe erklärt. Das K.O.M.I.T.E.E. zog diese Konsequenz aus den gemachten Fehlern, die zur Verfolgung von vier Menschen führten, verteidigte aber gleichzeitig das eigene Konzept, nach dem militante Aktionen notwendiger Bestandteil linker Politik sind und die Existenz kontinuierlich in Erscheinung tretender militanter Gruppen Orientierungspunkte für die linke Szene setzen kann. Das K.O.M.I.T.E.E. hatte sich selbst als eine solche Gruppe gesehen, meinte aber, der damit verbundenen hohen Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein.

Broschüre „Als das K.O.M.I.T.E.E. ein Osterei legte“, 1999

Endlich online: Die Broschüre von 1999 zu „Fall KOMITEE“ aus Berlin, die leider vergriffen ist.

Es gibt sie in vernünftiger Auflösung als komplettes PDF zum Download.

Oder in drei Teilen:

Datei 1, Seite 1-32: Einleitung, Chronologie, Erklärungen der Gruppe KOMITEE, Repression, Briefe der Untergetauchten

Datei 2, Seite 33-57: Beiträge zum Thema Exil und „Untertauchen“

Datei 3, Seite 58-87: Beiträge zur Debatte um Militanz und linker Internationalismus/Kurdistan

Grußworte von Bernhard Heidbreder (Rote Hilfe online 18.09.2016)

„Hallo Leute, liebe Genossinnen und Genossen, Freunde und Freundinnen

Ganz kurz ein paar Gruesse aus dem derzeit eher regnerischen Caracas, nachmittags 2 Stunden Regen, ansonsten Sonne und Nachts ein schoener, riesengrosser Vollmond.

Vor 2 Monaten wurde ich ploetzlich und entgegen aller Prognosen unter Auflagen freigelassen. An dieser Situation hat sich bis heute nichts veraendert. Ich versuche mich hier in eine Situation einzuleben, in Venezuela, einem Land, das ich gut kenne, aber nach 2 Jahren Knast kaum wiedererkennen kann. In meine alten politischen Strukturen kann ich zur Zeit nicht zurueckkehren; so versuche ich also, hier in Caracas politisch an Land zu kommen, was mir nach und nach auch gelingt. ich bin superfroh, wieder auf freiem Fuss zu sein, auch wenn meine Bewegungsfreiheit etwas eingeschraenkt ist und geniesse meine immer noch neue Situation mit jedem Atemzug.

Es freut mich, nach nunmehr mehr als 20 Jahren mitzubekommen, dass es immer noch politisch links(radikale) Stroemungen gibt, die sich dem neoliberalen Mainstream entgegenstemmen. Bleibt dabei, bleibt Euch treu! Wir brauchen uns, um politisch und kulturell zu wachsen, mehr zu werden! Von hier aus auch ein lieber Gruss und eine feste Umarmung an P. und T. Haltet durch – Alles wird gut“ Weiterlesen

Taz vom 31.07.2016

Link

In Freiheit, nicht in Sicherheit (Taz vom 31.07.2016)

von Wolf-Dieter Vogel

Venezuela hat den deutschen Linksradikalen Bernhard Heidbreder aus dem Gefängnis entlassen. Nun hofft er auf Asyl in Südamerika.

Über zwei Jahre nach seiner Verhaftung in Venezuela ist der deutsche Linke Bernhard Heidbreder wieder auf freiem Fuß. Vor wenigen Tagen wurde er aus der Haft entlassen. „Ich bin sehr froh, dass das jetzt endlich vorbei ist“, sagte er der taz. Nun hoffe er darauf, in Vene­zue­la bleiben zu können. Er hat dort politisches Asyl beantragt. Bis zur Entscheidung über seinen Aufenthaltsstatus darf der 55-Jährige, der vor seiner Festnahme mit seiner Frau in der Stadt Mérida gelebt hatte, Caracas nicht verlassen. Weiterlesen